Rückblick auf den ERGI24 in Berlin
Nach zwei intensiven und spannenden Kongresstagen in Berlin ist der E-Rechnungs-Gipfel 2024 am Dienstagnachmittag dieser Woche zu Ende gegangen. Inhaltlich wie strategisch hatte der zehnte Leitkongress der deutschen E-Invoicing-Branche in diesem Jahr den über 300 Fachteilnehmenden so viel zu bieten wie nie zuvor.
Und so trafen sich am Montag, 10. Juni, und Dienstag, 11. Juni, unzählige Experten, Praktiker und Interessierte, um die neuesten Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich der elektronischen Rechnungsstellung zu diskutieren.
Besonders intensiv diskutiert wurden dabei die drängendsten Fragen, wie eine Umstellung der kompletten deutschen Wirtschaft auf den elektronischen Rechnungsaustausch innerhalb des ambitionierten Zeitplans gelingen könnte.
In Fokus dabei:
- Was ist in den nächsten 6 Monaten noch nötig? Was müssen wir noch tun, dass der 01.01.2025 für den Startschuss zur verpflichtenden B2B E-Rechnung gelingt?
- Welche Fragen sind noch offen, welche Hürden gilt es sowohl rechtlich als auch prozesstechnisch noch zu beseitigen?
Für diejenigen, die nicht vor Ort sein konnten, soll dieser Nachbericht einen umfassenden Überblick über die beiden spannenden Kongresstage bieten.
Tag 1: Montag, 10. Juni 2024
Start in den Tag mit einem Networking-Frühstück
Der erste Kongresstag begann mit einem herzlichen Networking-Frühstück, das den Teilnehmern der komplett ausgebuchten Veranstaltung die Möglichkeit bot, in entspannter Atmosphäre erste Kontakte zu knüpfen und sich auf die bevorstehenden intensiven Diskussionen einzustimmen.
Eröffnung und inspirierende Keynote
Johannes von Mulert, Gründer des E-Rechnungs-Gipfels und Geschäftsführer der Vereon AG, eröffnete den Gipfel mit einer motivierenden Ansprache. Anschließend folgte eine inspirierende Keynote von Bilal Zafar, der eindrucksvoll und beschwingt darstellte, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitswelt und den Rechnungsprozess revolutionieren wird. Zafar betonte, dass insbesondere repetitive Aufgaben zukünftig von KI übernommen würden, was vor allem auch neue Chancen und Herausforderungen für die E-Rechnung mit sich brächte.
Aktuelle Marktstudie und Strategie-Panel
Marcus Laube, CEO von billentis, präsentierte die neuesten Zahlen und Fakten aus seiner aktuellen Marktstudie „The global e-invoicing and tax compliance report: Watch the tornado!“. Er beleuchtete die globalen Entwicklungen und deren Bedeutung für Deutschland.
Im anschließenden Strategie-Panel diskutierten namhafte Experten wie Prof. Dr. Hartmut Schwab (Bundessteuerberaterkammer), Georg Geberth (IDSt und Siemens), Annette Selter (BDI), Dr. Lars Meyer-Pries (DATEV) und Carsten Rothbart (ZDH) über die bevorstehende Verpflichtung zur E-Rechnung. Moderiert wurde das Panel von Stefan Groß, Vorstandsmitglied des VeR. Die Diskussion fokussierte sich auf die Herausforderungen und Erwartungen der verschiedenen Branchen und wie sich vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, die steuerberatenden Berufe sowie Lösungs- und Softwareanbieter nun noch optimal auf die Umstellung vorbereiten sollten.
Einblicke in die Gesetzgebung und Einführungsstrategien
Nach der Mittagspause gab Prof. Dr. Roland Ismer von der Universität Potsdam einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der europäischen (ViDA) und deutschen Gesetzgebung zur E-Rechnung. Er hob hervor, dass die Einführung der E-Rechnung erhebliche Anpassungen erfordert, jedoch auch eine große Chance zur Digitalisierung darstellt.
Bianca Wöhrer und Alexander Kollmann vertieften das Thema mit einem Vortrag über die Einführungsstrategie im Kontext von ViDA und der deutschen E-Rechnung. Sie erläuterten die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten der Gesetzgebung und stellten den aktuellen Standardisierungsprozess der E-Rechnung vor.
Nachmittags-Sessions: Vertiefung in spezielle Themenbereiche
Der Nachmittag bot eine Vielzahl an parallelen Sessions, die sich unterschiedlichen Aspekten der E-Rechnung widmeten:
Track 1: Tax & Compliance
Hier bot zunächst ein „B2B-Fitness-Programm für die E-Rechnung“ konkrete Lösungsansätze für Deutschland-spezifische Zweifelsfragen. Bianca Wöhrer und Alexander Kollmann widmeten sich dabei unter anderem den umsatzsteuerrelevanten Feldern, Business Rules und der Gewährleistung der Interoperabilität für “sonstige strukturierte” elektronische Formate. Quirin Jackl präsentierte im Anschluss den aktuellen Regulierungsstand zur E-Rechnung in Europa anhand eines interaktiven Länder-Dashboards. Im Ausbildungs-Panel wurde schließlich intensiv darüber diskutiert, wie Unternehmen das notwendige Tax Technology Know-How aufbauen können.
Track 2: Implementierung
Unter der Track-Moderation von Andreas Killinger, VeR, zeigte Manfred Ullrich von OpenText zunächst auf, wie E-Invoicing-Prozesse effizient und sicher zu S/4 HANA migriert werden können. Patrick Rott und Tobias Haendly von Metro Digital gaben in ihrem von allen Seiten gelobten Vortrag anschließend praxisnahe Einblicke in die standardisierte Implementierung bei METRO. Dariusz Biernacki von Comarch präsentierte schließlich fünf konkrete Schritte zur Umsetzung der B2B-Pflicht. Dabei klärte er Mythen und häufige Fragen zur E-Rechnung für Nicht-ITler und zeigte, wie man E-Rechnungs-Pflichten verschiedener Länder gleichzeitig meistert.
Track 3: Prozessoptimierung
Geleitet wurde dieser Track von VeR-Vorstandsmitglied Tim Roßky. Martin Bannik von AFI Solutions erläuterte dabei zunächst, wie die E-Rechnung zur Optimierung von Geschäftsprozessen beiträgt. Philipp Liegl von ecosio und Mike Hoffmann von Würth berichteten über ihre jeweiligen Erfahrungen und gaben Einblicke in Best Practices bei der Einführung der E-Rechnung.
Technologie und Abschluss des ersten Tages
Zum Abschluss des ersten Tages diskutierten Susanne Machanek und Paul Thürmann von EY schließlich auf der großen Bühne im Ballsaal über die strategische Entscheidung „Make or Buy“ und die Bedeutung einer passenden E-Rechnungs-Lösung.
Der Tag klang mit einem geselligen Grillabend im nahegelegenen Biergarten aus, was den Teilnehmern die Möglichkeit bot, in entspannter Atmosphäre noch einmal die intensiven Erfahrungen des ersten Kongresstages zu diskutieren.
Tag 2: Dienstag, 11. Juni 2024
Willkommenskaffee und Panel-Diskussion
Der zweite Kongresstag begann mit einem Willkommenskaffee in der Fachausstellung im 1. Stock des zweigeschossigen Kongressbereichs. Im Anschluss moderierte Ivo Moszynski (Leiter FeRD eine spannende Panel-Diskussion zur Zukunft der E-Rechnung und des Tax-Reportings in Deutschland. Experten wie Franziska Streichsbier (BMI), Prof. Dr. Roland Ismer (Universität Potsdam) und Richard Luthardt (VeR) diskutierten die Wichtigkeit von Plattformen in diesem Kontext.
10 intensive Round Tables
In den Round Tables wurden geschäftsrelevante Themen intensiv diskutiert.
- Zehn Jahre ZUGFeRD – Moderiert von Daniel Vinz, Verantwortlicher Fachreferent, Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD).
- E-Rechnung: Die Buchführung beschleunigen durch effiziente Workflows – Moderiert von Timo Gehle, Experte E-Rechnung, DATEV.
- Digitalisierung ganzheitlich Denken: E-Rechnung ohne Scheuklappen – Moderiert von Philip Helger, E-Invoicing Experte und Delegierter CEN TC434.
- So macht E-Rechnung allen Spaß: Ergebnisse und Diskussion aktueller Analysen und Empfehlungen für Deutschland – Moderiert von Quirin Jackl und Annalina Landsberg,
- Wissenschaftliche Mitarbeiter, Universität Erlangen-Nürnberg.
- Erfolgsfaktoren einer globalen E-Rechnungsstrategie – Moderiert von Gert Eichberger, Director Localization Product Management, SAP.
- E-Invoicing in Benelux – Moderiert von Andreas Killinger, Arbeitskreis International, Verband elektronische Rechnung (VeR).
- Umgang mit Rundungsdifferenzen bei E-Rechnungen gemäß der Norm EN 16931 – Moderiert von Ralph Brügelmann, Abteilungsleiter Steuern & Finanzen, Handelsverband Deutschland (HDE).
- E-Invoicing in France – Moderiert von Michel Gillis, Chair of Interoperability Working Group, GENA Global Exchange Network Association.
- Konsolidierung der Rechnungseingangslösungen von Bund und Ländern – Moderiert von Sebastian Eckert, Fachverantwortliche Stelle E-Rechnung im Beschaffungsamt des BMI.
- E-Invoicing in Rumänien – Moderiert von Inge Abdulcair, Tax Director, PwC Romania und Phillip Kelly, Manager Indirect Tax, PwC Deutschland.
Nach einer Kaffeepause ging es in den thematischen Tracks weiter.
Track 1. Tax & Compliance
Erneut moderiert von Alexander Kollmann und Bianca Wöhrer, präsentierten Benjamin Scheu und Michael Fuhr die Evaluierung und erfolgreiche Auswahl einer Lösung für E-Rechnung / E-Reporting im Zuge der S/4HANA-Einführung. Anschließend ging es darum, warum Automatisierung in Anbetracht kurzer staatlicher Fristen und unklarer Anforderungen überlebenswichtig ist. Ellen van Daal betonte im Anschluss die Bedeutung von E-Invoicing für nahtlose indirekte Steuerprozesse und die Rolle einer präzisen Umsatzsteuerbestimmung, um die Einhaltung zu gewährleisten und finanzielle Abläufe zu optimieren.
Track 2: Implementierung
Moderiert von Dominique Corazolla präsentierten Jürgen Grabert und Dieter Keller zunächst die erfolgreiche Umsetzung eines E-Rechnungsprojektes, betonten die Vorteile wie Effizienzsteigerung, Kostenreduktion und Umweltschutz und erklärten die Umsetzungsschritte von Planung über technische Infrastrukturprüfung bis hin zu Mitarbeiter-Schulung und Kommunikation mit Geschäftspartnern. Martina Drischmann stellte die Einführung und Erfahrungen der XRechnung und Peppol bei der Deutschen Bahn vor und beleuchtete deren Auswirkungen im europäischen Kontext. Peter Fels und Marcus Ehrenburg erläuterten die erfolgreiche Implementierung von E-Invoicing im Rechnungseingang und -ausgang, wobei sie die Compliance-Sicherheit, Einsparungen durch KI-Technologie und die Unterstützung von EN16931-basierten Formaten sowie die Digitalisierung der Supply-Chain hervorhoben.
Track 3: Formate & Standards
Moderiert von Michael Walther, präsentierten Svante Schubert, Andreas Pelekies und Marco Hasken die EU E-Rechnungs-Norm EN16931 im Kontext des Wachstumschancengesetzes, wobei sie das kleine 1×1 der Norm und die Erfahrungen der öffentlichen Verwaltung mit der Annahme- und Lieferantenverpflichtung beleuchteten. Svante Schubert und Daniel Vinz gaben einen aktuellen Stand zur EU-Kernrechnung und diskutierten den Umgang mit individuellen Anforderungen, die nicht in der Norm vorgesehen sind, sowie Überlegungen zu einem Register für Erweiterungen. Andreas Pelekies und Daniel Vinz erstellten einen Leitfaden für die unternehmerische Praxis, erläuterten, wie KMUs das Thema E-Rechnung konkret für 2025 und später angehen sollten, und teilten häufige Fehler aus der Projekt- und Validierungspraxis sowie branchenspezifische Informationen.
Mittagessen, Networking und der Nachmittag
Das Mittagessen bot erneut eine ausgezeichnete Gelegenheit zum Networking in der Fachausstellung.
Track 1. Tax & Compliance
Erneut moderiert von Alexander Kollmann und Bianca Wöhrer, fand ein Umsatzsteuer-Panel statt. Oliver Sachtleben, Michael Reithmaier, Beate Nolting und Florian Wiebecke diskutierten die zentrale Rolle der Steuerabteilung bei der Einführung der E-Rechnung und konkrete Umsetzungsschritte. Sie betonten die aktive Mitgestaltung der Detail-Ausprägung der E-Rechnung in verschiedenen Gremien.
Track 2: Implementierung
Auch hier erneut moderiert von Dominique Corazolla, sprachen Hajnal Hetenyi und Elmar Thomson über die effiziente Einführung der E-Rechnung. Sven Holtmann präsentierte einen 6-Stufen-Plan, um Unternehmen auf die kommende E-Rechnungs-Pflicht vorzubereiten.
Track 3: International
Unter der Moderation von Richard Luthardt erläuterte Michel Gilis Best Practices für internationale Unternehmen zur vollen Nutzung des deutschen E-Rechnungsmandats. Sönke Wahlers und Kevin Teipel präsentierten weltweite E-Invoicing Strategien basierend auf SAP in der Praxis.
Abschluss-Panels und Zusammenfassung
Der E-Rechnungs-Gipfel 2024 endete mit einem Abschluss-Panel, in dem die Moderatoren der Vortragsreihen ihre zentralen Ergebnisse und Arbeitspakete präsentierten.
Der allgemeine Tenor fiel dabei klar und deutlich aus: Am wichtigsten ist, jetzt mit der Umsetzung zu beginnen und diese keinesfalls auf die lange Bank zu schieben. Was aktuell zähle, sei vor allem der Mut, ins Handeln zu kommen. Auch (oder gerade) weil noch nicht alle Detailfragen zu 100 Prozent geklärt seien. Schließlich könne an einzelnen Stellschrauben auch später noch nachjustiert werden.
Johannes von Mulert fasste die Höhepunkte der zwei Kongresstage zusammen und bedankte sich bei allen Teilnehmern und Sponsoren für ihre Unterstützung.
Besonders freuen konnte sich in diesem Zusammenhang übrigens auch noch einmal der VeR. Der Leitverband der deutschen E-Invoicing-Industrie ist nämlich seit Dienstag stolzer Besitzer des aktuellen Graphic Recordings des Künstlers Christian Ridder. Das mehrere Meter große Kunstwerk findet, da der VeR keine geeigneten Räumlichkeiten besitzt, seinen ehrenvollen Platz in der Nürnberger Zentrale der DATEV eG, in welcher am 5. November 2024 auch die jährliche Hauptversammlung des VeR stattfinden wird. Dort wird das Kunstwerk den Mitgliedern zugänglich gemacht und wird sicherlich eine schöne Diskussionsgrundlage für die Hauptversammlung sein.
Impressionen vom E-Rechnungsgipfel 2024