Verband elektronische Rechnung Der Expertenverband der deutschen E-Invoicing Branche

Blogserie "Digitalisierung des Rechnungsverkehrs" |Teil 3

Mehrwertsteuer-Lücke in der EU: Auslöser der E-Rechnung?

Ein wichtiger Teilaspekt bei der Einführung der E-Rechnung im B2B-Bereich und der damit verbundenen Einführung eines einheitlichen E-Meldesystems ist zweifellos die EU-weite Mehrwertsteuer-Lücke. Ein zunächst harmlos klingender Begriff, der zu einem Großteil einen kriminellen Hintergrund hat und den Steuerbehörden große Sorgen bereitet. 

Die Folgen sind jedoch auch in Deutschland weitreichend: Dem Staatshaushalt entgehen jährlich viele Milliarden Euro Steuereinnahmen. Bei näherer Betrachtung der Entwicklung der Mehrwertsteuer-Lücke innerhalb der EU in den letzten Jahren wird deutlich, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Denn: Mit Maßnahmen gegen diese teilweise systematischen Mehrwertsteuer-Verluste könnten die EU-Kassen entscheidend gestärkt werden. Geld, das gerade in der heutigen Zeit dringend benötigt wird, auch in Deutschland und trotz – oder besser: auch wegen – Doppel-Wumms, Sondervermögen und Wachstumschancengesetz.

Was bedeutet „Mehrwertsteuerlücke“ und wie entsteht sie?

Zur Definition: Die Mehrwertsteuer-Lücke beschreibt die faktisch entgangenen Steuereinnahmen gegenüber der theoretischen Mehrwertsteuer-Berechnungen der Steuerbehörden. Die Diskrepanz ergibt sich aus der Differenz zwischen der de facto fälligen Mehrwertsteuer und den tatsächlichen erfolgten Einnahmen.

Immerhin: Im Jahr 2018 schrumpfte die Lücke geschätzt um immerhin 4,6 Milliarden Euro. 2019 lag der Wert dann bei fast 6,6 Milliarden Euro „weniger“ Verlusten – derzeit liegen diese sogar noch etwas niedriger. Dieser Vergleich zum Vorjahr zeigte eine positive Entwicklung im Kampf gegen die Mehrwertsteuer-Lücke aus den Vorjahren auf. Das klingt auf den ersten Blick zwar vielversprechend. Fakt bleibt jedoch:

Insgesamt belief sich die Höhe der Mehrwertsteuer-Lücke im Jahr 2019 auf stattliche 134 Milliarden Euro.

Um keinem Missverständnis zu erliegen: Nicht allein kriminelle Absichten stecken hinter der unsachgemäßen Entrichtung der Mehrwertsteuer. Für falsche oder ausbleibende Zahlungen kann es mehrere Gründe geben, wie:

  • eigene Falschberechnungen
  • unordentliche Buchführung
  • länderübergreifende (oftmals sprachliche oder währungsrelevante) Fehler

Mit Standards und Transparenz gegen die Mehrwertsteuerlücke

Es ist zweifelsohne in jüngster Vergangenheit ein positiver Trend bei der Bekämpfung zu erkennen, dennoch bedarf es zukünftig umfassenden Bemühungen, die Lücke weiter zu schließen. Die hiermit einhergehenden Prozesse werden jedoch beachtliche Investitionen erfordern.

Der entscheidende Treiber hierbei: Die Einführung einer flächendeckende E-Rechnungspflicht in Deutschland.

Auf Basis eines einheitlichen E-Invoicing-Standards, der optimalerweise auch den digitalen – und für die Steuerbehörden nachvollziehbaren - Rechnungsaustausch über die Grenzen der EU-Mitgliedstaaten hinweg ermöglicht, könnte auch Deutschland sich den bisher entgangenen Milliarden-Topf an „verlorenem“ Steuergeld sichern – ähnlich wie es in Italien bereits seit einigen Jahren erfolgreich der Fall ist. Neben anderen, ebenfalls dringenden Maßnahmen, wäre das ein wichtiger Meilenstein bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuer-Betrugs im europäischen Binnenmarkt.

Doch: Es bedarf hier eines Brückenschlags von derzeit nur lokal verpflichtenden Meldungen von B2B-Umsätzen hin zur Meldeverpflichtung von grenzüberschreitenden Transaktionen. Den Anfang in diese Richtung machte bereits die EU-Initiative „VAT in the Digital Age“ (ViDA). Diese befasst sich mit der Forschung nach technologischen Möglichkeiten zur Bekämpfung des Mehrwertsteuer-Betrugs und deren europaweiten Umsetzung. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Zahlen betreffend der Mehrwertsteuer-Lücke kritisch hinterfragt werden sollten. Sie setzen sich aus einer Vielzahl von Faktoren zusammen. Die Lücke kann demnach nicht allein auf den reinen Rechnungsverkehr als Ursache reduziert werden.

E-Invoicing kann nicht alle Probleme lösen – aber einige der wichtigsten schon!

E-Invoicing ist also nur ein Teilaspekt, der auf die wirksamen Maßnahmen zur Reduktion der am Fiskus vorbeigegangenen Mehrwertsteuer. Im europäischen Kontext gilt es außerdem, den Binnenmarkt stärker zu verknüpfen – auch, indem der Digitalisierungsgrad erhöht wird. Hiermit geht einher, dass so genannte Karussellbetrugsgeschäfte und Insolvenzbetrug verringert werden und sich allein daraus bereits die Mehrwertsteuer-Lücke schmälern lassen kann. 


Vorschau: Im kommenden vierten Teil unserer Blogserie geht es um die Entwicklung des E-Invoicing in Italien. Das Land konnte in jüngster Vergangenheit große Erfolge bei der Eindämmung des Mehrwertsteuer-Betrugs einfahren. Dies nicht zuletzt auch durch die Einführung der verpflichtenden E-Rechnungsstellung.

Hinweis: An dieser Blogserie hat der Münchner Steuerassistent Niklas Friedrich inhaltlich mitgewirkt. Er hat seine Masterarbeit über die „Digitalisierung des Rechnungsverkehrs“ geschrieben und engagiert sich im Verband elektronische Rechnung (VeR).

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