E-Rechnung in der öffentlichen Verwaltung – Wandlung zum Impulsgeber?
Die gute Nachricht vorweg: Das Jahr 2015 hat die elektronische Rechnung in Deutschland ein gehöriges Stück nach vorne gebracht. Einer der Haupttreiber war dabei die öffentliche Verwaltung. Und das auch noch – man muss es an dieser Stelle anmerken – nicht ganz freiwillig.
E-Rechnung in der öffentlichen Verwaltung: Eine Karriere mit Hindernissen
Denn vor nicht allzu langer Zeit, genauer zu Anfang des Jahres 2013, gab es gerade einmal drei nennenswerte Vorhaben zum Thema „E-Rechnung in der öffentlichen Verwaltung“:
- Das Forum elektronische Rechnung Deutschland, welches sich zum Ziel gesetzt hatte, den ZUGFeRD-Standard für KMU und öffentliche Verwaltung zu etablieren.
- Das Projekt eRechnung des Bundesinnenministeriums, dessen gerade veröffentlichte Handlungsempfehlungen zum elektronischen Rechnungsaustausch die Leitplanken für die E-Rechnung setzen sollte.
- Das vom BMWi geförderte Projekt E-Docs, welches die technische Umsetzung eben dieser Empfehlungen vorantreibt.
Diese drei Speerspitzen mündeten später in verschiedene erfolgreiche Pilotprojekten und einen von der Bundesbeauftragten für IT herausgegebenen Leitfaden zur E-Rechnung. An erster Stelle auf der Agenda stand die E-Rechnung in der öffentlichen Verwaltung damals trotz dieser vorzeigbaren Ergebnisse allerdings noch lange nicht.
Mit Druck von oben zum Umdenken in der Verwaltung
Das änderte sich in der Folge jedoch schneller, als vielen Stellen tatsächlich lieb war. Denn während gerade noch die Frage diskutiert wurde, ob die Lieferanten der öffentlichen Verwaltung, wie in verschiedenen Ländern bereits geschehen, zum Einsenden elektronischer Rechnungen verpflichtet werden könnten – oder gar müssten, standen die Behörden plötzlich selbst unter Druck.
Der Grund: Mittels neuer Richtlinie schickte sich die EU an, den Empfang und die Weiterverarbeitung (letzterer Zusatz wurde im Übrigen auf Drängen des BMI aufgenommen) elektronisch eingehender Rechnungen für die öffentliche Hand verpflichtend zu machen. Mit der, schließlich im Mai 2014 unter dem Titel RL 2014/55/EU verabschiedeten, neuen Richtlinie im Rücken, änderte sich auch die allgemeine Wahrnehmung des Themas in der öffentlichen Verwaltung. Und die Vorkämpfer der E-Rechnung erhielten endlich mehr Gehör.
Suche nach dem goldenen Weg zur Implementierung
Im Jahr 2015 ging es dann nicht mehr darum, welche Vorteile mit der E-Rechnung einhergehen würden. Man konzentrierte sich zunehmend auf die Möglichkeiten der Umsetzung. Die Expertise von neutralen und wissenschaftlich arbeitenden Beratungshäusern war mehr denn je gefragt, denn von der einzelnen Kommune bis zur Bundesregierung wurde nach den passenden Lösungen gesucht.
Aus gutem Grund: Denn die Gefahr, zahlreiche öffentliche Mittel für eine Optimierung der Rechnungsbearbeitung im Hause zu investieren, ohne eine große Anzahl von elektronischen Rechnungen zu erhalten, wurde zunehmend deutlich.
Kommunen sind auch 2016 noch nicht bereit für elektronische Rechnungen
Mittlerweile sind die mit der E-Rechnung einhergehenden Vorteile für die Verwaltung ebenso ausgiebig dokumentiert wie die zahlreichen Studienergebnisse zur (leider) noch immer mangelhaften Umsetzung bei Behörden und Kommunen.
Offensichtlich führen nicht einmal die omnipräsenten Hinweise auf Einsparpotenziale von beispielsweise über sechs Milliarden Euro auf kommunaler Ebene zum längst überfälligen Umschwung. Die spannende Frage lautet daher: Wie kann dieses immense Potenzial endlich gehoben werden?
Fehlende „Bereitschaft“ bremst Verbreitung von E-Invoicing
Hauptproblem ist, dass auf Seiten der Verwaltung zumeist die nötige “E-Invoice-Readiness” fehlt. Doch damit ist nicht die allgemeine Bereitschaft zur Umstellung gemeint. Schließlich beschäftigen sich gerade viele kleine Kommunen längst intensiv mit dem Thema. Vielmehr ist es das Fehlen der prozessualen und technischen Voraussetzungen, die ein schnelles, flächendeckendes Voranschreiten der E-Rechnung in der öffentlichen Verwaltung behindert.
So zeichnet sich der Ist-Prozess vielerorts durch das Abtippen von Rechnungsdaten, den Transport von Papier sowie viele – oft überflüssige oder unnötige „Sonderschleifen“ – in der Bearbeitung aus. Die Folge: Nicht selten stehen einer Minute Bearbeitungszeit pro Rechnung etwa 300 Minuten Transport- und Liegezeit gegenüber.
Technische Voraussetzung bisher nur selten komplett umgesetzt
Auch die drei technischen Hauptkomponenten für die E-Rechnung sind in vielen Behörden und Kommunen noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden. So verfügen nur wenige kommunale Verwaltungen über einen elektronischen Rechnungseingang (12 Prozent), einen digitalen Rechnungsworkflow (12 Prozent) und ein revisionssicheres digitales Archiv (32 Prozent).
Abbildung 1: Aktuelle Ausprägung der drei technischen Hauptkomponenten der R-Rechnung in Behörden und Kommunen | © Bonpago GmbH
Gar nur jede zwanzigste Kommune hat sowohl Rechnungseingang als auch Bearbeitung und Archivierung von Rechnungen digitalisiert und kann als “E-Invoice ready” bezeichnet werden.
Verschenkte Einsparpotenziale in Milliardenhöhe
Allerdings ist diesen Kommunen auch gemein, dass eine aktive Umstellung der Lieferanten noch nicht stattgefunden hat. Dabei ergibt sich durch die E-Rechnung sogar bei einem Volumen von nur 5.000 Rechnungen jährlich ein Einsparpotenzial von über 50.000 Euro.
Die Herausforderung liegt jedoch oft in den Investitionskosten: Das Zusammenstellen der drei Komponenten über verschiedene Anbieter lohnt bei kleinerem Rechnungsvolumen meist ebenso wenig wie die Anbindung an einen „großen“ Provider, dessen Geschäftsmodell womöglich nicht auf kleine Kommunen und Behörden ausgerichtet ist.
Abbildung 2: Noch sind nur fünf Prozent aller Kommunen und Behörden wirklich komplett „startklar“ | © Bonpago GmbH
Tatsächlich bieten nur wenige Firmen ein ausgereiftes Komplettpaket für kleine Kommunen an, mit dem sich die Ausgaben schnell amortisieren. Diese zu finden gleicht jedoch oft sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Viele Verwaltungen leiden unter nicht nachhaltig ausgewählten Technologien und Prozessen
Nichtsdestotrotz ist klar: Die E-Rechnung kommt – und das mit voller Wucht. Die Anfragen von Lieferanten, welche gerne elektronische Rechnungen senden möchten, steigen auch bei den Verwaltungen rapide an. Und diesen wird allmählich bewusst, dass der extra eingeführte Prozessschritt „Scannen“ umso überflüssiger wird, je mehr Rechnungen per E-Mail eingehen.
Ein echtes Problem, denn – traurig aber wahr – erschreckend häufig werden Rechnungen in vielen Einrichtungen aktuell tatsächlich einfach ausgedruckt und wieder eingescannt, um sie in den regulären Prozess zu spielen.
Es geht auch anders: Einzelne Vorreiter machen es vor
Das THW als Behörde im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums hat im Rahmen seines Pilotprojektes dagegen bereits frühzeitig deutlich langfristiger gedacht. Zielvorgabe ist hier, möglichst viele Rechnungen elektronisch zu erhalten. Idealerweise bereits mit integriertem Datensatz im ZUGFeRD-Format – oder alternativ als PDF, aus welchem die Daten mit einem innovativen Konverter-Service nahezu fehlerfrei und komplett extrahiert werden.
Interne Kooperation als Schlüssel zum erfolgreichen E-Invoicing
Weitreichende Analysen und Gespräche mit über 200 Entscheidern aus Rechnungswesen, Einkauf und IT bei öffentlichen Verwaltungen zeigen auch, dass viele Kommunen längst den Überblick über ihre Lieferantenstruktur verloren haben. Die Anzahl an Lieferanten und eingehenden Rechnungen sind oft unbekannt. Nur sehr wenige Kommunen nutzen zentrale Beschaffungsstellen oder Einkaufsgemeinschaften.
Für eine Optimierung ist jedoch das Zusammenspiel von Einkauf und Rechnungswesen unabdingbar. Herausforderungen ergeben sich vor allem durch dezentrale Ressourcenverwaltung, heterogene Beschaffungsabläufe und nicht vorhandene oder veraltete Technologien.
In der Realität trifft man aber gerade in Verwaltungen oft auf die Problematik, dass Einkauf – so es denn eine Einkaufsabteilung gibt – und Rechnungswesen kaum miteinander sprechen. Insbesondere nicht vor dem Hintergrund eines Digitalisierungsprojektes. Erstes Ziel ist es dann immer, beide Parteien – idealerweise auch die IT – an einen Tisch zu bekommen.
Ausblick 2016: Verpflichtung der Lieferanten?
Aktuell arbeitet die Bundesverwaltung – gesteuert von Innen- und Finanzministerium – an einem Betriebskonzept zur Umsetzung der E-Rechnung auf Bundesebene. Die Stadt Bremen positioniert sich derweil als Leuchtturmprojekt für die Umsetzung der E-Rechnung auf Landesebene und wird vom IT-Planungsrat gefördert. Andere Städte haben ebenfalls Projekte zur Umsetzung der EU-Richtlinie ins Leben gerufen.
Soweit läuft also – bis auf kleinere Unstimmigkeiten bezüglich der zu empfehlenden Rechnungsstandards (Stichwort „ZUGFeRD vs. XRechnung“) – alles in geordneten Bahnen.
Im Rahmen der anstehenden Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht und den korrespondierenden Kosten für die Herstellung einer breiten E-Invoice-Readiness könnte eine Verpflichtung der Lieferanten zum Versand elektronischer Rechnungen an die öffentliche Verwaltung entscheidende Vorteile bringen. Neben einer schnellen Amortisierung der Kosten würde den kleinen und lokalen Lieferanten auf dem Weg in eine digitale Zukunft damit ein entscheidender Impuls gegeben.
Auch wenn der Aufschrei bei den Vertretern der Wirtschaft groß sein wird, so erscheint dies als womöglich notwendiger Schritt – sowohl im Hinblick auf die nachhaltige Modernisierung der Kommunikation zwischen Lieferanten und Behörden als auch zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen.
Dr. Donovan Pfaff, VeR-Experte für Financial Supply Chain Management Dr. Donovan Pfaff unterstützt seit mehr als 15 Jahren als Geschäftsführer der Bonpago GmbH die öffentliche Verwaltung, Unternehmen und Banken bei der Einführung von elektronischen Rechnungen und der damit verbundenen Optimierung im Finanz- und Rechnungswesen (Shared Services, Workflow, Archivierung, Working Capital Management). Durch die Analyse von weit über 300 Unternehmen im In- und Ausland sowie zahlreichen Forschungsprojekten und Aufträgen in der Öffentlichen Verwaltung, gilt er als Vordenker in diesem Segment und hat mit seinem Buch „Financial Supply Chain Management“ ein Standardwerk im elektronischen Rechnungsaustausch vorgelegt. Dr. Donovan Pfaff arbeitet in allen wichtigen nationalen und internationalen Foren zum elektronischen Rechnungsaustausch mit.