Verband elektronische Rechnung Der Expertenverband der deutschen E-Invoicing Branche

Gesetzesentwurf zur elektronischen Rechnungsstellung veröffentlicht

Neuer Gesetzesentwurf des BMI soll elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen regeln

Berlin/München –  Mit Datum vom 1. Juli 2016 wurde der Entwurf eines Gesetzes über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen veröffentlicht.

Der vom Bundesministerium des Inneren (BMI) vorgelegte Entwurf soll die Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014 in nationales Recht umsetzen und damit eine verbindliche Rechtsgrundlage für den – zukünftig obligatorischen – Empfang und die Verarbeitung elektronischer Rechnungen durch öffentliche Auftraggeber schaffen.

Gesetzesentwurf mit weitreichenden Folgen für Unternehmen

Was sich zunächst nur wie eine bürokratische Neuerung für die öffentliche Verwaltung anhört, lässt auch viele kleine, mittelständische und große Unternehmen aufhorchen. Denn demnach darf der Aussteller einer elektronischen Rechnung künftig nur erwarten, dass diese von der öffentlichen Verwaltung (bzw. den sonstigen im Gesetz genannten Auftraggebern) akzeptiert wird, wenn seine Rechnung sämtliche relevante Daten zumindest auch in strukturierter Form vorhält.

Die Neuregelung sieht zudem vor, dass die Bundesregierung künftig per Rechtsverordnung weitere Detailanforderungen in Bezug auf

  • die elektronische Rechnungsstellung,
  • das zu verwendende Rechnungsdatenmodell sowie
  • die Verbindlichkeit der elektronischen Form

regeln kann. Ein Entwurf für eine solche Verordnung liegt derzeit jedoch noch nicht vor.

Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/55/EU in nationales Recht

Der nun vorgelegte Gesetzesentwurf des BMI geht in einem wichtigen Punkt deutlich über die Vorgaben aus Brüssel hinaus. Denn die EU-Richtlinie regelt lediglich die Verpflichtung zur Annahme und Weiterverarbeitung elektronischer Rechnungen für den sogenannten “oberschwelligen” Vergabebereich. Der Gesetzesentwurf des BMI bezieht dagegen alle Rechnungen, d. h. unabhängig vom Wert des vergebenen Auftrags, in seinen Anwendungsbereich ein.

Ein Ansatz, der vor allem vielen Unternehmen zugutekommen dürfte, wie Steuerberater und VeR-Vorsitzender Stefan Groß bestätigt: “Ohne diese Präzisierung wäre die Form der Rechnungsstellung von einer vorherigen Prüfung des Auftragswertes abhängig – und damit wenig praktikabel.” Sollte der Vorschlag des BMI übernommen werden, bestünde dagegen eine einheitliche, betragsunabhängige Verpflichtung zur E-Rechnung. Und damit deutlich mehr (Rechts-)Sicherheit auf Seiten der Rechnungssteller.

Einheitliche Definition des Begriffs “elektronische Rechnung”

Hier führt der Gesetzesentwurf aus, dass lediglich solche Rechnungen erfasst werden sollen, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden, sodass ihre automatische und elektronische Verarbeitung möglich ist.

Reine Bilddateien, wie etwa die meisten der heutzutage im PDF-Format verschickten Rechnungen, würden einer solchen Definition nicht entsprechen. Zu Recht, wie VeR-Experte Groß erklärt: “Der größte Vorteil des elektronischen Rechnungsaustausches liegt bekanntlich in der Möglichkeit, Rechnungsverarbeitungsprozesse digital zu automatisieren.” Reine Bilddateien behindern diesen Ansatz – oder führen sogar zu Mehraufwand. Etwa dann, wenn eingehende PDF-Rechnungen zur Weiterverarbeitung erfasst oder ausgedruckt werden (müssen).

Hybride Rechnungsformate wie ZUGFeRD erfüllen dagegen die Maßgaben des Gesetzesentwurfes vollumfänglich, vorausgesetzt, sie stellen neben der grafischen Rechnungskomponente auch alle benötigten Daten in strukturierter Form (etwa als XML-Datensatz) bereit.

Planspiel soll Machbarkeit der Gesetzesvorgaben im Vorfeld validieren

In einem korrespondierenden Steuerungsprojekt des IT-Planungsrats unter der Federführung des BMI und der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT), soll zudem ein Planspiel zur Mach- und Umsetzbarkeit der gesetzlichen Vorgaben sowie des geplanten Standards XRechnung durchgeführt werden. Das Fundament hierfür bildet eine vom VeR bereitgestellte Plattform, über die der Austausch elektronischer Rechnungen simuliert wird und an die eine Vielzahl von Subjekten aus Wirtschaft und Verwaltung angebunden werden können.

So sollen bereits im Vorfeld der Einführung die zu übermittelnden Inhalte und die zugrundeliegenden Formate auf ihre Praxistauglichkeit getestet werden. Die Berücksichtigung unterschiedlichster, am Geschäftsprozess beteiligter Akteure soll zudem die Akzeptanz für die Einführung des neuen E-Rechnungsstandards bei allen Anwendern aus Wirtschaft, Mittelstand und Verwaltung fördern.

Verband elektronische Rechnung (VeR) begrüßt positive Wirkung des Gesetzesentwurfs

“Als Sprachrohr der E-Invoicing-Branche freuen wir uns über die aktuelle Initiative des BMI und den damit verbundenen Auftrieb für den kosten- und ressourcensparenden Austausch von Rechnungen in elektronischer Form”, bestätigt VeR-Verbandsvorsitzender Stefan Groß. Denn leider befindet sich der öffentliche Sektor in Sachen “E-Invoicing” hierzulande noch immer in einer Art “Dornröschenschlaf” – ganz im Gegensatz zu europäischen Nachbarn wie Österreich, Italien oder der Schweiz.

Ein Umstand, durch welchen der öffentlichen Verwaltung in Deutschland jährlich Einsparungen in mehrstelliger Millionenhöhe entgehen.

 


Eine einheitliche Infrastruktur für die Elektronische Rechnungsstellung in Europa und in Deutschland

Ein Statusbericht von Ulrike Linde und Ivo Moszynski

Die EU-Richtlinie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen (EU-Rechnungs-RL) wurde am 6. Mai 2015 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Die Richtlinie sieht unter anderem vor, dass eine europäische Norm für ein Basisdatenmodell (prEN 16913) entwickelt wird, das die in der elektronischen Rechnung strukturiert zu übermittelnden Daten auf inhaltlicher Ebene definiert – das sogenannte “Kernrechnungsmodell” (“Core Invoice Model”). Das Kernrechnungsmodell umfasst nur die wesentlichen Informationselemente, die eine elektronische Rechnung enthalten muss, um die rechtliche (einschließlich steuerrechtliche) Richtigkeit sicherzustellen und die Interoperabilität für den grenzüberschreitenden Handel, den branchenübergreifenden Handel und den Binnenhandel zu ermöglichen.

Darüber hinaus sollen folgende zusätzliche optionale Dokumente erstellt werden:

  • Eine Technische Spezifikation (TS) mit einer Liste von Syntaxen, auf die das Kernrechnungsmodell abgebildet werden soll.
  • Eine Technische Spezifikation (TS) mit Syntaxmappings, d.h. eine Abbildung des semantischen Datenmodells auf die konkreten Syntaxen, die in der Syntaxliste erwähnt werden.
  • Ein Technischer Bericht (TR), wie elektronische Rechnungen interoperabel übertragen werden können unter Berücksichtigung der Authentizität des Ursprungs und der Integrität des Inhalts.
  • Ein Technischrn Bericht (TR), wie mit branchen- bzw. länderspezifischen Extensions umgegangen werden soll (Methode und Praxisbeispiel).
  • Ein Technischer Bericht (TR) über einen End-User-Test zur Implementierbarkeit der EN.

Das Kernrechnungsmodell muss von den Verwaltungen zu dem in der Richtlinie festgelegten Zeitpunkt verbindlich unterstützt werden. Dies bedeutet, dass alle Rechnungen, die ausschließlich Inhalte des Kernrechnungsmodells strukturiert enthalten, von den Verwaltungen der Europäischen Mitgliedstaaten entgegen genommen und verarbeitet werden können müssen. Dies gilt für alle Syntaxen, die von der EU-Kommission veröffentlicht werden. Durch die aktive Mitarbeit von deutschen Experten in den entsprechenden Arbeitsgruppen bei CEN und UN/CEFACT soll sichergestellt werden, dass die derzeit von ZUGFeRD genutzte Syntax auf die Liste der Europäischen Kommission gesetzt wird.

Von den deutschen Verwaltungen wird derzeit erörtert, ob die Verpflichtung der Verarbeitung elektronischer Rechnungen gemäß EU-Norm auch für den unterschwelligen Bereich gelten soll, oder aber ob hierfür andere Standards definiert werden könnten. Zielsetzung des gemeinschaftlich zwischen Bund und Ländern im Rahmen des IT-Planungsrates aufgesetzten Projektes zur E-Rechnung ist es jedoch, eine möglichst einheitliche Infrastruktur zu schaffen und ggf. erforderliche Ergänzungen des Datenmodells nun bereits im Rahmen der Kommentierung in die europäischen Standardisierungsarbeiten einfließen zu lassen. So können nationale Besonderheiten, die den Aufbau einer europaweit einheitlichen Infrastruktur einschränken würden, vermieden werden. Diese Phase endet Anfang Februar 2016. Im DIN-Arbeitsausschuss „Elektronisches Geschäftswesen“ wird die deutsche Position konsolidiert.

Gleichwohl dürfte es in Zukunft für spezielle Anwendungsgebiete wie beispielsweise das Gesundheitswesen oder das Bauwesen oder aber auch für anspruchsvollere EDI-Szenarien – für die ZUGFeRD das Extended Profil definiert hat – einen Bedarf für entsprechende Extensions geben. Hierfür gilt es eine geordnete Methode und eine Governance zu definieren, die einen Wildwuchs unterschiedlichster Extensions auf europäischer Ebene auf ein Mindestmaß einschränkt.

Problematisch hierbei ist, dass in dem Kernrechnungsmodell bisher keine Methode beschrieben oder referenziert wird, die der Datenmodellierung zu Grunde liegt. Auch in dem Technical Report zur Extension Methodology gibt es in dem jetzigen Entwurf kein entsprechendes Kapitel. Auch bei diesem Technischen Bericht endet die Möglichkeit, inhaltlich Einfluss nehmen zu können, im Februar 2016.

Im Rahmen des CEN-Standardisierungsmandats wird außerdem ein technischer Bericht erstellt, wie elektronische Rechnungen interoperabel unter Berücksichtigung der Authentizität des Ursprungs und der Integrität des Inhalts übertragen werden können. Hierfür liegt nun ein Entwurf vor, der insbesondere auch die Arbeiten berücksichtigt, die die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Digitalen Agenda und insbesondere mit der Initiative „Connecting Europe Facility“ (CEF) für den Aufbau von sicheren und unteroperablen Kommunikationsnetzwerken fördert. Ein Baustein von CEF ist das Vorhaben “eDelivery“. Dieses definiert eine Architektur für den sicheren Austausch von Nachrichten. Hierfür sind auch die Vorgaben der eIDAS-Verordnung relevant.

In den nächsten Monaten müssen nun – nach Abschluss der inhaltlichen Kommentierungs-phase im Februar 2016 – die finalen Entwürfe der von CEN erstellten Dokumente geprüft und verabschiedet werden. Dann stellt sich die Frage, wie diese Dokumente von wem für den deutschen Markt spezifiziert werden. Dies gilt insbesondere für die Technischen Spezifikationen und Berichte, die gemäß EU-Rechnungs-RL nicht bindend sind und lediglich empfehlenden Charakter haben. Im Gegensatz zur Normungsarbeit selbst, die zwangsläufig über das DIN koordiniert wird, ist die Umsetzung der Normen dem Markt überlassen. Es wäre wünschenswert, wenn die Marktteilnehmer – wie in der Vergangenheit auch – hierzu in einem engen Dialog blieben, um weiterhin an dem Aufbau einer einheitlichen Infrastruktur in Deutschland zu arbeiten.